Mark Lawrence' Debütroman enthält Sätze, die sich einem ins Gedächtnis schreiben - und einen der kontroversesten Protagonisten der jüngeren Fantasy-Geschichte.
Klappentext
From being a privileged royal child, raised by a loving mother, Jorg Ancrath has become the Prince of Thorns, a charming, immoral boy leading a grim band of outlaws in a series of raids and atrocities. The world is in chaos: violence is rife, nightmares everywhere. Jorg has the ability to master the living and the dead, but there is still one thing that puts a chill in him. Returning to his father’s castle Jorg must confront horrors from his childhood and carve himself a future with all hands turned against him.
Mark Lawrence’s powerful debut novel tells a tale of blood and treachery, magic and brotherhood and paints a compelling and brutal, and sometimes beautiful, picture of an exceptional boy on his journey toward manhood and the throne.
Handlung
“Prince of Thorns” spielt im mittelalterlich anmutenden Broken Empire, einer Welt ewiger Fehden und Kleinkriege zwischen zahllosen winzigen Königreichen. Hier ist das Leben hart und häufig sehr kurz. Nahezu alle Herrscher teilen ein ehrgeiziges Ziel: Die Königreiche unter ihrer Herrschaft zu vereinen und Kaiser zu werden. Auch Jorg hat diesen Ehrgeiz und seine Chancen stehen gut, weil er – nur mit sehr vagen Vorstellungen über den Wert von Moral und Menschenleben ausgestattet – bereit ist, weiter zu gehen, als jeder andere.
Doch zu Beginn des Buches ist der Vierzehnjährige wenig mehr als der Anführer einer Bande von Gesetzlosen – bis er beschließt, zu dem Vater zurückzukehren, der einer der Gründe dafür ist, wieso er zum „Prince of Thorns“ wurde.
Ein Erzählstrang begleitet Jorg dabei, wie er nach Hause zurückkehrt (wo er alles andere als willkommen ist), sein Erbrecht fordert und sein eher vager Hass auf den Rest der Welt sich schließlich wieder in den zielstrebigen, rücksichtslosen Wunsch nach Rache verwandelt. Daneben berichtet eine Reihe von Rückblenden von seiner Kindheit – den Morden an seiner Mutter und seinem kleinen Bruder, die der zehnjährige Jorg hilflos mitansehen musste, und wie er schließlich zum Anführer seiner „Road Brothers“ wurde.
Doch seine eigenen Erinnerungen bergen auch für Jorg Überraschungen und schließlich muss er sich fragen, was er aus eigenem Antrieb tut und wo er von den unsichtbaren Händen der Magier gelenkt wird, die hinter vielen der Throne des Broken Empire stehen.
Weltentwurf
Es wird einem beim Lesen erst spät bewusst, aber bei der „Broken-Empire-Trilogie“ handelt es sich um eine Mischung aus Fantasy und Science Fiction. Jorg bewegt sich durch eine Welt mit mittelalterlicher Gesellschaft und Technologie und unheimlicher, unerklärlicher Magie. Aber es gibt auch überall Relikte aus der Zeit der „Builder“, einer hochtechnisierten Kultur, die sich schließlich selbst zerstört und dabei die Realität für immer verändert hat. Diese Relikte spielen für die Handlung eine entscheidende Rolle.
Figuren
Während die meisten Bücher mehrere Hauptfiguren, oder zumindest eine Hauptfigur und wichtige Nebenfiguren haben, ist in „Prince of Thorns“ eigentlich jeder außer Jorg, dem charismatischen, eloquenten Ich-Erzähler, nebensächlich.
Es gibt kaum ein Tabu, was er nicht irgendwann im Laufe des Buches bricht (und für die anderen gibt es die Folgebände). Als Leser ist man gelegentlich selbst erstaunt, dass man es nicht irgendwann zuklappt – immerhin sind Jorgs Ziele (Rache und Herrschaft) wenig sympathisch und es scheint kaum wünschenswert, dass er sich erreicht. Aber er versteht es, den Leser zu faszinieren. Hochintelligent, vollkommen rücksichtslos und meist mit dem Zufall auf seiner Seite wirkt er unaufhaltsam.
Obwohl es wenig glaubwürdig ist, dass er – nicht nur wegen seiner Denk- und Handlungsweise, sondern auch wegen der sehr reif wirkenden Erzählstimme – erst vierzehn ist, überzeugt er auf sonderbare Weise, einfach, weil er eine gleichzeitig konsequent und facettenreich geschilderte Figur ist. Es gibt auch immer wieder Momente, in denen deutlich wird, dass Jorg vielleicht jetzt mehr oder weniger ein Monster ist, aber irgendwann einmal doch halbwegs menschlich war und etwas aus dieser Zeit in ihm übrig geblieben ist (nicht dass es ihn irgendwie beeinflussen würde).
Es existieren auch zahlreiche, einprägsame Nebenfiguren, die Jorg mit eher beiläufigen Blicken streift und kurz und treffend charakterisiert.
Stil
Auch die Sprache von „Prince of Thorns“ ist facettenreich. Sie schwankt zwischen beinahe poetisch oder philosophisch anmutenden Beschreibungen und Überlegungen, schonungslosen Schilderungen und trockenen, meist sehr zynischen Kommentaren. Aber all dies fügt sich zu einem harmonischen Ganzen zusammen.
Fazit
Ein besonderes Buch. Nur sehr mäßig glaubwürdig, aber innovativ, atmosphärisch und absolut kompromisslos. „Prince of Thorns“ schockiert und provoziert, aber ohne dass es zum Selbstzweck wird. Es ist eines der wenigen Bücher, denen es gelingt, gleichzeitig spannend, nachdenklich, actionreich, emotional und komisch zu sein.
Übersetzung
Auf Deutsch als „Prinz der Dunkelheit“ erschienen, übersetzt von Andreas Brandhorst
(Keine Ahnung, wieso sie sich für „Prinz der Dunkelheit“ entschieden haben. Ich finde „Dornenprinz“ – und „Dornenkönig“/ „Dornenkaiser“ für die Folgebände wäre näher am Original und interessanter gewesen)
HarperCollins Publishers, August 2011
Imprint: Harper Voyager
ISBN:9780007423309