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Rezension: Mark Lawrence - Prince of Thorns (Broken Empire, Buch 1)

Swantje Niemann • 20. März 2018

Mark Lawrence' Debütroman enthält Sätze, die sich einem ins Gedächtnis schreiben - und einen der kontroversesten Protagonisten der jüngeren Fantasy-Geschichte.

Klappentext

From being a privileged royal child, raised by a loving mother, Jorg Ancrath has become the Prince of Thorns, a charming, immoral boy leading a grim band of outlaws in a series of raids and atrocities. The world is in chaos: violence is rife, nightmares everywhere. Jorg has the ability to master the living and the dead, but there is still one thing that puts a chill in him. Returning to his father’s castle Jorg must confront horrors from his childhood and carve himself a future with all hands turned against him.

Mark Lawrence’s powerful debut novel tells a tale of blood and treachery, magic and brotherhood and paints a compelling and brutal, and sometimes beautiful, picture of an exceptional boy on his journey toward manhood and the throne.

Handlung

“Prince of Thorns” spielt im mittelalterlich anmutenden Broken Empire, einer Welt ewiger Fehden und Kleinkriege zwischen zahllosen winzigen Königreichen. Hier ist das Leben hart und häufig sehr kurz. Nahezu alle Herrscher teilen ein ehrgeiziges Ziel: Die Königreiche unter ihrer Herrschaft zu vereinen und Kaiser zu werden. Auch Jorg hat diesen Ehrgeiz und seine Chancen stehen gut, weil er – nur mit sehr vagen Vorstellungen über den Wert von Moral und Menschenleben ausgestattet – bereit ist, weiter zu gehen, als jeder andere.

Doch zu Beginn des Buches ist der Vierzehnjährige wenig mehr als der Anführer einer Bande von Gesetzlosen – bis er beschließt, zu dem Vater zurückzukehren, der einer der Gründe dafür ist, wieso er zum „Prince of Thorns“ wurde.

Ein Erzählstrang begleitet Jorg dabei, wie er nach Hause zurückkehrt (wo er alles andere als willkommen ist), sein Erbrecht fordert und sein eher vager Hass auf den Rest der Welt sich schließlich wieder in den zielstrebigen, rücksichtslosen Wunsch nach Rache verwandelt. Daneben berichtet eine Reihe von Rückblenden von seiner Kindheit – den Morden an seiner Mutter und seinem kleinen Bruder, die der zehnjährige Jorg hilflos mitansehen musste, und wie er schließlich zum Anführer seiner „Road Brothers“ wurde.

Doch seine eigenen Erinnerungen bergen auch für Jorg Überraschungen und schließlich muss er sich fragen, was er aus eigenem Antrieb tut und wo er von den unsichtbaren Händen der Magier gelenkt wird, die hinter vielen der Throne des Broken Empire stehen.

Weltentwurf

Es wird einem beim Lesen erst spät bewusst, aber bei der „Broken-Empire-Trilogie“ handelt es sich um eine Mischung aus Fantasy und Science Fiction. Jorg bewegt sich durch eine Welt mit mittelalterlicher Gesellschaft und Technologie und unheimlicher, unerklärlicher Magie. Aber es gibt auch überall Relikte aus der Zeit der „Builder“, einer hochtechnisierten Kultur, die sich schließlich selbst zerstört und dabei die Realität für immer verändert hat. Diese Relikte spielen für die Handlung eine entscheidende Rolle.

Figuren

Während die meisten Bücher mehrere Hauptfiguren, oder zumindest eine Hauptfigur und wichtige Nebenfiguren haben, ist in „Prince of Thorns“ eigentlich jeder außer Jorg, dem charismatischen, eloquenten Ich-Erzähler, nebensächlich.

Es gibt kaum ein Tabu, was er nicht irgendwann im Laufe des Buches bricht (und für die anderen gibt es die Folgebände). Als Leser ist man gelegentlich selbst erstaunt, dass man es nicht irgendwann zuklappt – immerhin sind Jorgs Ziele (Rache und Herrschaft) wenig sympathisch und es scheint kaum wünschenswert, dass er sich erreicht. Aber er versteht es, den Leser zu faszinieren. Hochintelligent, vollkommen rücksichtslos und meist mit dem Zufall auf seiner Seite wirkt er unaufhaltsam.

Obwohl es wenig glaubwürdig ist, dass er – nicht nur wegen seiner Denk- und Handlungsweise, sondern auch wegen der sehr reif wirkenden Erzählstimme – erst vierzehn ist, überzeugt er auf sonderbare Weise, einfach, weil er eine gleichzeitig konsequent und facettenreich geschilderte Figur ist. Es gibt auch immer wieder Momente, in denen deutlich wird, dass Jorg vielleicht jetzt mehr oder weniger ein Monster ist, aber irgendwann einmal doch halbwegs menschlich war und etwas aus dieser Zeit in ihm übrig geblieben ist (nicht dass es ihn irgendwie beeinflussen würde).

Es existieren auch zahlreiche, einprägsame Nebenfiguren, die Jorg mit eher beiläufigen Blicken streift und kurz und treffend charakterisiert.

Stil

Auch die Sprache von „Prince of Thorns“ ist facettenreich. Sie schwankt zwischen beinahe poetisch oder philosophisch anmutenden Beschreibungen und Überlegungen, schonungslosen Schilderungen und trockenen, meist sehr zynischen Kommentaren. Aber all dies fügt sich zu einem harmonischen Ganzen zusammen.

Fazit

Ein besonderes Buch. Nur sehr mäßig glaubwürdig, aber innovativ, atmosphärisch und absolut kompromisslos. „Prince of Thorns“ schockiert und provoziert, aber ohne dass es zum Selbstzweck wird. Es ist eines der wenigen Bücher, denen es gelingt, gleichzeitig spannend, nachdenklich, actionreich, emotional und komisch zu sein.

Übersetzung

Auf Deutsch als „Prinz der Dunkelheit“ erschienen, übersetzt von Andreas Brandhorst

(Keine Ahnung, wieso sie sich für „Prinz der Dunkelheit“ entschieden haben. Ich finde „Dornenprinz“ – und „Dornenkönig“/ „Dornenkaiser“ für die Folgebände wäre näher am Original und interessanter gewesen)

HarperCollins Publishers, August 2011

Imprint: Harper Voyager

ISBN:9780007423309

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Das Resultat ist originell und sehr zufriedenstellend. Mit The Book that Wouldn’t Burn beginnt Mark Lawrence eine neue Trilogie, die gut genug geschrieben ist, um mich darüber hinwegsehen zu lassen, dass einige Elemente des Plots (z.B. Zeitreisen) eigentlich gar nicht mein Ding sind. Das Setting ist eine gigantische Bibliothek, die Fokus eines uralten Streits um das zweischneidige Schwert des Wissens ist. Was mich überrascht hat: die überraschend süße Liebesgeschichte, die eine große Rolle für den Roman und seinen Folgeband spielt. Urban Fantasy Naomi Noviks Scholomance -Trilogie ist eine kurze YA-Reihe, die auch erwachsene Leser*innen überzeugen kann. Sie wartet mit einer originellen Variante einer Zauberschule und einer Protagonistin auf, die äußerst schlecht gelaunt das Richtige tut und deren Erzählstil die düsteren Aspekte des Settings auf Distanz hält. Das besondere an der Reihe ist, dass sie ihre Figuren nicht wirklich gegen Antagonist*innen, sondern gegen ein systemisches Problem arbeiten – und dass es, was bei solchen Ausgangssituationen nicht sehr häufig ist, trotzdem eine optimistische Geschichte ist. In Ink Blood Sister Scribe von Emma Törsz geht es um zwei Halbschwestern, deren Leben auf sehr verschiedene von der Sammlung magischer Bücher bestimmt wird, die ihre Familie hütet. Das Buch beginnt, als sie sich nicht länger vor ihren Gegenspieler*innen verbergen können. Das Figurenensemble ist klein und statt einer ausgreifenden verborgenen Welt gibt es hier nur einige wenige übernatürliche Elemente. Figuren und Magie sind aber sorgfältig ausgearbeitet und greifen gut ineinander. Ink Blood Sister Scribe nimmt sich viel Zeit für atmosphärische, präzise Beschreibungen. Es ist auch mal wieder original deutschsprachige Fantasy dabei: Noah Stoffers reiht sich mit A Midsummer’s Nightmare in die Reihe der Autor*innen ein, die den Dark-Academia-Trend aufgreifen. Protagonist*in Ari muss die übernatürlichen Geheimnisse einer elitären, altehrwürdigen Universität erkunden, bevor diese Ari und Aris Freund*innen gefährlich werden. Stoffers setzt aus anderen Büchern des Subgenres wie zum Beispiel „Das neunte Haus“ bekannte Elemente gekonnt um (z.B. auch das Topos marginalisierter Figuren, die Außenseiter*innen in einer Hochburg alter Privilegien sind). Sier ergänzt eine großzügige Prise originelles Worldbuilding und stellt eine nicht-binäre Figur ins Zentrum, was insbesondere in der deutschsprachigen Phantastik bisher ziemlich selten ist. Das fügt sich alles zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Science Fiction Mit Arboreality hat Rebecca Campbell einen berührenden Roman aus ineinandergreifenden Geschichten geschrieben, in denen Menschen und Bäume die Klimakrise überdauern. Sie schildert eine nahe Zukunft voller Melancholie und Hoffnung. Weitaus bissiger geht es in Venomous Lumpsucker von Ned Beauman zu. Der Near-Future-Roman denkt Trends der Gegenwart weiter und fügt sie zu einem temporeichen Thriller rund um Umweltzerstörung und den Verlust von Artenvielfalt zusammen, mit einer Menge gezielter Seitenhiebe und dunkler Situationskomik. Exordia von Seth Dickinson ist ein abgedrehter First-Contact-Roman, der wild Genres mixt und seine Figuren immer wieder vor moralische Dilemmata stellt – inklusive der Entscheidung über das Schicksal der Erde. Humor, Schrecken und emotional berührende Momente liegen hier dicht beieinander. Das Buch greift auch die Geschichte der Kurden und amerikanischer Interventionen im Nahen Osten auf. Ich bin endlich dazu gekommen, Machineries of Empire von Yoon Ha Lee zu beenden. Dabei handelt es sich umi eine Science-Fantasy-Trilogie rund um ein interstellares Imperium, in dem Mathematik und Rituale die Realität verändern können und die Funktion von Technologie vom Einhalten des imperialen Kalenders abhängt. Wer sich auf die steile Lernkurve des Buches einlässt, wird mit einer mitreißenden Geschichte, einer farbenprächtigen Welt, relevanten Themen und charismatischen Figuren belohnt (insbesondere Shuos Jedao, der untote General, der eine Schlüsselrolle für die Bücher spielt).
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Es geht um Krebsmagie, um Imperialismus, Kolonialismus und Widerstand, und um eine faszinierende, zerrissene Hauptfigur, die viel(e) opfert, um ein Imperium zu Fall zu bringen. Der Weltenbau ist originell und komplex, die Auseinandersetzung mit Imperialismus und Kolonialismus tiefer, als ich es von dem Genre gewohnt bin. Ähnlich explizit anti-imperial geht es in „Babel“ von R.F. Kuang zu (tatsächlich hätte die Autorin dem Publikum hier und da ein bisschen mehr darin vertrauen können, dass es angesichts der geschilderten Ereignisse schon zu den gleichen Schlüssen kommt wie sie). In einem alternativen magischen Oxford des 19. Jahrhunderts findet der junge Übersetzer Robin intellektuelle Herausforderungen, Luxus und Freundschaft – vorausgesetzt, er spielt weiter brav seine Rolle als Handlanger eines Imperiums, das auf ihn angewiesen ist, aber ihm echte Zugehörigkeit verweigert. Schließlich erreicht Robin einen Punkt, an dem er eine Entscheidung treffen muss. Ein wütendes, mitreißendes Buch voller Wissen zu Geschichte und Linguistik (bei dem ich bei allen seinen Stärken allerdings kritisieren würde, dass bestimmte Figuren sich eher wie Werkzeuge, um bestimmte Punkte zu illustrieren, als wie dreidimensionale Persönlichkeiten anfühlen – Robins Charakterisierung ist jedoch gut gelungen). Außerdem konnte ich eines meiner großen Leseprojekte beenden: Ich habe nun alle zehn Bände des „Malazan Book of the Fallen“ gelesen. Es handelt sich um eine Buchreihe, die eine unglaubliche Bandbreite an Figuren, Schauplätzen, Plots, Registern und Themen abdeckt. Wie in einer so vielfältigen Reihe manchmal nicht anders zu erwarten, konnte ich mit einigen Abschnitten mehr anfangen als mit anderen. Aber die emotionalen Momente sind kraftvoll, die heraufbeschworenen Bilder episch und die Themen der Bücher sehr relevant. Malazan lesen fühlt sich manchmal ein bisschen wie Arbeit an, aber wie Arbeit, die es absolut wert ist. Manchmal scheuen Autor*innen davor zurück, Figuren mit marginalisierten Identitäten moralisch graue oder auch nur unsympathische Züge zu geben. In „Sanguen Daemonis“ ist das nicht der Fall. Anna Zabinis sehr diverses Figurenensemble steckt voller innerer und äußerer Konflikte, und hinzu kommt ein Setting voller Paranoia und Düsternis. Der dystopische Urban-Fantasy-Roman ist antichronologisch erzählt und ist insgesamt angenehm ehrgeizig. „Das Rot der Nacht“ von Kathrin Ils ist ein solider, in sich geschlossener Roman mit einem atmosphärischen, mittelalterlich inspirierten Setting. In der klaustrophobischen Atmosphäre eines von Misstrauen erfüllten Dorfes muss die Protagonistin, Belanca, mit einer sehr gefährlichen Situation umgehen. Im Zuge dessen stellt sie fest, dass mehr in ihr steckt, als erwartet. Science-Fiction Ich bin durch einen Artikel namens „The Edgy Writing of Blindsight“ auf Peter Watts Roman gestoßen und auch wenn ich nachvollziehen kann, wieso die Verfasserin nichts mit dem Buch anfangen konnte, war meine Neugier durch die Zitate geweckt – und ich bin froh darüber, das Buch gelesen zu haben. „Blindsight“ ist ehrgeizig, vollgestopft mit Ideen und eine ebenso düstere wie hypnotische Kombination aus Science Fiction und Cosmic Horror. Das Buch wartet mit einem kühnen Gedankenexperiment zu Intelligenz und Bewusstsein und mit einer starken zentralen These auf, der man nicht zustimmen muss, um etwas von dem Buch zu haben. Ich verstehe das Worldbuilding von „Ninefox Gambit“ zugegebenermaßen immer noch nicht komplett, aber diese Welt mit einem Imperium, dass einen speziellen Kalender befolgt und verteidigt und Macht aus diesem zieht, ist ebenso überwältigend, wie sie spannend ist. Darüber hinaus ist das Buch spannend, gut geschrieben und wartet mit einer außergewöhnlichen Figurenkonstellation (die Hauptfigur trägt den Geist eines vermeintlich wahnsinnigen Generals mit sich) und einigen überraschenden Wendungen auf. „The Light Brigade“ ist gritty, gesellschaftskritisch und hat mir gefallen, obwohl ich überhaupt kein Fan von Zeitreisegeschichten bin. In einer dystopischen Zukunft kämpfen hier Soldat*innen, die sich in Licht auflösen, um sich dann wieder an ihren Einsatzorten zu manifestieren, gegen einen mysteriösen Feind. Aber schnell bekommt die Protagonistin das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Kameron Hurley hat ein spannendes, wütendes Buch voller einprägsamer Zitate geschrieben. „Dem Blitz zu nah“ ist vielleicht eher interessant, als dass das Buch Spaß macht – aber dafür ist es wirklich sehr interessant. Ada Palmer entwirft eine Zukunft, in der nicht nur Technologien, sondern auch zum Beispiel der Umgang mit Geschlecht, mit „nationaler“ Zugehörigkeit und vielem mehr radikal geändert haben. Ein Protagonist mit einer sehr dunklen Vergangenheit erzählt unter zahlreichen Bezügen auf die Zeit der Aufklärung von der Verschwörung, die sich unter dem scheinbar utopischen Frieden der „Hives“ verbirgt. Wirklich utopisch geht es in „Pantopia“ zu – allerdings ist der Weg zu der Welt, in der die Menschenrechte das oberste Gebot und ethische Entscheidungen deutlich leichter sind als in der Gegenwart, holprig und voller Ungewissheiten. Und genau über diesen erzählt Theresa Hannig gekonnt. Sie erzählt von überzeugend gezeichneten Figuren, von moralischen Kompromissen und zweiten Chancen, und nicht zuletzt radikal hoffnungsvoll. „How High We Go in the Dark” habe ich quasi zusammen mit einem Buchclub gelesen – allerdings sind einige der Lesenden zwischendrin ausgestiegen und auch ich hatte Schwierigkeiten, das Buch zu beenden. Das liegt aber keineswegs daran, dass Sequoia Nagemutsus ineinander verflochtene Geschichten schlecht wären, sondern vielmehr daran, wie bedrückend nah sich der Roman anfühlt. Es geht um eine Pandemie, Klimawandel und das oft vergebliche Bemühen, geliebte Menschen zu beschützen. In diesem Roman bricht der oft verdrängte Tod mit solcher Macht wieder in unsere Gesellschaft ein, dass den Figuren nichts anderes als eine kollektive Auseinandersetzung damit – und damit, was sie verbindet – übrigbleibt. Sachbuch „Faultiere - Ein Portrait“ von Tobias Keiling, Heidi Liedke und Judith Schalansky (Hg). konnte mich mit seinem originellen Konzept und einer Menge neuem Wissen beeindrucken. Das Buch stellt quasi eine kurze Rezeptionsgeschichte des Faultiers dar, eine Geschichte der Projektionen auf dieses ungewöhnliche Tier, die wiederum viel über die Betrachtenden verraten. In „Entstellt“ von Amanda Leduc verbindet die Autorin autobiografisches Schreiben mit einer Analyse der Darstellung von Menschen mit Behinderungen oder Entstellungen in Märchen und moderner Popkultur.
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