In meinem letzten Post zu „Königsgift“ – einem Roman von 10 Autor*innen – habe ich über ein großes kollaboratives Projekt erzählt, das ich dieses Jahr beendet habe. Aber es war nicht das einzige. Zwischen Juli und November 2023 habe ich auch zusammen mit einem großen Team daran gearbeitet, ein zweitägiges LARP zu entwickeln, vorzubereiten und schließlich durchzuführen.
Für diejenigen, die den Begriff zum ersten Mal hören: LARP steht für Live Action Role Playing und beschreibt Rollenspiel, bei dem Leute eine Rolle verkörpern und flexibel aufeinander reagieren. Es hat ein bisschen was von Theater, nur, dass es kein Drehbuch und kein Publikum gibt. Die Grundsituation und Impulse für die Handlung kommen von der Spielleitung, aber die Entscheidungen der Spielenden tragen entscheidend dazu bei, wie alles ausgeht. Häufig denken sich die Spielenden relativ frei die Figur aus, die sie verkörpern, manchmal bekommen sie aber auch eine Rolle. Letzteres war bei uns der Fall.
Das LARP-Projekt, an dem ich beteiligt war, ist ein LARP des Waldritter e.V., einer Organisation, die unter anderem LARP als Vehikel nutzt, um Leute an politische Themen heranzuführen – und die dafür mit einem ehemaligen Kaufhaus in Herten, das nun zu einer Art Raumschiff umgebaut ist, ein tolles Ambiente zur Verfügung stellt. Unser LARP war als humorvoll satirisches LARP angelegt, dass jedoch auch einige ernste Themen berührt. Die Idee und die Grundlagen des LARP entstanden im Sommer im „LARPWriter Summercamp“ und anschließend ging der Austausch über eine Vielzahl von virtuellen Meetings weiter.
Während der Entstehungsprozess von „Königsgift“ linear war – das Manuskript machte die Runde und wurde in jedem Schritt von jeweils einer Person um ein Kapitel erweitert –, passierte bei unserem LARP vieles gleichzeitig und in ständigem Austausch. In einer Google-Ablage sammelten sich allmählich lange Dokumente zu Worldbuilding, Spielmechaniken sowie die Hintergründe und Verknüpfungen aller Figuren und lange To-Do-Listen, welche Gegenstände wir brauchten und wie die Räume vorbereitet werde mussten Am Ende hatten wir mehr als 30 Figuren.
Das Ganze war sehr intensiv, aber hat auch viel Spaß gemacht. Ein LARP zu schreiben ist völlig anders, als einen Roman zu schreiben – teilweise auf eine Weise, die mir ganz angenehm ist. Denn ich denke mir gerne Settings und Figuren aus, aber finde das Entwickeln eines tatsächlichen Plots schwieriger. Bei einem LARP kann man eine interessante Ausgangssituation schaffen, Plots und Subplots und dann sehr viel den Spielenden überlassen. Und während Romane schreiben trotz aller Beteuerungen in Danksagungen meistens doch ziemlich einsam ist und daraus besteht, lange an einem Projekt zu schreiben und dann lange auf Rückmeldung zu warten, war dieser Prozess von Anfang bis Ende Teamarbeit.
Ein weiterer Aspekt, der ein LARP von einem Roman unterscheidet: Die Figuren werden von echten Menschen gespielt, die – in diesem Fall für etwa anderthalb Tage – in ihre Rollen eintauchen. Entsprechend wichtig ist es auch, dafür zu planen, dass es ihnen gut geht, dass sie zum Beispiel genug Zeit zum Schlafen und Essen und auch Rückzugsräume außerhalb des Spiels haben. Eine weitere Herausforderung im Zusammenhang damit, dass man es bei einem LARP mit echten Menschen zu tun hat: Leute, die es wegen Krankheit und anderen Gründen nicht zum LARP schaffen, was gerade bei einigen wichtigen Figuren Lücken in die angelegten Plots zu reißen droht. Zudem sorgtn die vorhandenen Räume, die technische Ausstattung, die Requisiten und das Budget für die Möglichkeiten und Grenzen, um die herum wir geplant haben.
Bevor es am 10. November losging, war noch einiges zu tun. Aber wir sind rechtzeitig mit allen Vorbereitungen fertig geworden. Es war ein tolles Erlebnis, die Spielenden zu sehen, die sich als ihre Figuren verkleidet hatten und ihre Interpretation der Rollen mitzubekommen. Ich war selbst als Nicht-Spieler-Charakter (NSC) dabei, also als Figur, die in erster Linie dafür da ist, für die Spielleitung alles im Auge zu behalten und für Handlungsimpulse und Atmosphäre zu sorgen. Meine Erfahrung ist, wenig überraschend, dass ich deutlich mehr Spaß am Entwickeln von Figuren und Situationen habe als daran, tatsächlich selbst eine Rolle zu spielen. Und zu ersterem werde ich wahrscheinlich auch in Zukunft kommen, weil ich mich schon in die nächste LARP-Planung habe verwickeln lassen.