In "Americanah" spielt Autorin Chimanda Ngozi Adichie ihre scharfe Beobachtungsgabe aus. Das Buch eröffnet spannende Perspektiven auf England, die USA und Nigeria.
Die Liebe von Ifemelu und Obinze beginnt im Nigeria der neunziger Jahre. Dann trennen sich ihre Wege: Während die selbstbewusste Ifemelu in Princeton studiert, strandet Obinze als illegaler Einwanderer in London. Nach Jahren treffen sie sich in Lagos wieder. Und stehen plötzlich vor einer Entscheidung, die ihr Leben auf den Kopf stellt.
Ein virtuoser und gegenwartsnaher Roman einer der großen jungen Stimmen der Weltliteratur, voller literarischem Wagemut, Menschlichkeit und sprachlicher Schönheit.
Handlung
Der Klappentext lässt eine Liebesgeschichte als primären Plot vermuten, aber obwohl die Beziehung und Wiederbegegnung von Imefelu und Obinze eine Klammer für die Geschichte darstellt, vergehen tatsächlich Jahre, ohne dass die beiden Kontakt haben.
Stattdessen geht es über weite Strecken darum, wie sie versuchen, in Amerika oder England Fuß zu fassen, Ifemelu als Studentin, Obinze trotz seiner Bildung als illegaler Einwanderer, der schließlich desillusioniert nach Nigeria zurückkehren muss.
Das Leben beider ist wechselvoll und sie kommen nicht nur mit den verschiedensten Menschen in Kontakt, sondern erleben auch, wie rasant sich das Leben ihrer ehemaligen Freunde ändert. Schließlich kehren sie beide in ein Nigeria zurück, das sich in ihrer Abwesenheit verändert hat.
Die Geschichte wird aus den Perspektiven Ifemelus und Obinzes erzählt. Immer wieder wird die Chronologie durch Rückblenden unterbrochen, an einen großen Teil der Handlung erinnert sich Ifemelu, während sie sich Zöpfe flechten lässt. Trotzdem ist es immer leicht, dem Geschehen zu folgen.
Ein Thema, dass sich durch das ganze Buch zieht, ist Ifemelus Blick als in Amerika lebende Afrikanerin auf die dort geborenen Afro-Amerikaner und vielen kleinen und großen Auswirkungen, die die Hautfarbe dort immer noch darauf hat, wie Menschen gesehen und behandelt werden.
Sie schreibt auch einen Blog zu diesem Thema und immer wieder sind Beiträge daraus in den Text eingeflochten. Ifemelu ist eine kritische, kluge Beobachterin und steuert (zumindest für weiße Europäer) ungewöhnliche Perspektiven und Informationen bei.
Der Roman folgt ihr durch drei längere Beziehungen, Phasen des Verlorenseins und Phasen der Zufriedenheit und hält ihre Begegnungen mit den verschiedensten Menschen fest. Es geht viel darum, wie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe Menschen prägt, ohne sie zugleich zu definieren.
Figuren
Ifemelu ist eine wortgewandte, scharfsichtige Beobachterin. Klug, willensstark und zutiefst menschlich hat sie viel Identifikationspotential. Es war eine gute Entscheidung, ihr Leben über lange Zeit zu verfolgen und es ist besonders interessant, zu lesen, wie sie nach Jahren nach Nigeria zurückkehrt.
Auch Obinze ist eine gut gezeichnete Figur. Der Leser kann gut nachvollziehen, was Ifemelu an ihm anziehend findet, aber zugleich wird er nicht idealisiert und trifft eine große Fehlentscheidung.
Im Buch kommen viele Figuren vor, die Obinze und Ifemelu teilweise jahrelang kennen und es ist spannend, auch deren Entwicklung mitzuverfolgen. Man nimmt der Autorin ab, dass die Nebenfiguren ihr Leben weiterleben, wenn die Point-of-View-Figuren den Raum verlassen.
Stil
„Americanah“ ist in einem Stil geschrieben, der einem die Gedanken und Figuren gut nahe bringt und sie und ihre Sichtweisen durch geschickt eingestreute Details charakterisiert. Das Buch ist gleichmäßig spannend und hat keine unangenehmen Längen. Man hört nie auf, am Leben der Figuren Anteil zu nehmen.
Obwohl die Übersetzung sehr gut gelungen ist, empfiehlt es sich wahrscheinlich, Americanah auf Englisch zu lesen, weil viel über die Sprechweise der Figuren oder charakteristische Ausdrücke, die sie verwenden, geschrieben wird. Zwar kann man in der Übersetzung so gut wie immer erahnen, welcher amerikanische Ausdruck oder welche Art von Englisch gemeint ist, aber ich vermute, dass es in der Originalsprache noch ein wenig besser funktioniert.
Fazit
„Americanah“ ist ausgezeichnet geschrieben, hat lebendige Figuren und regt immer wieder zum Nachdenken an. Das Buch setzt sich mit einer Vielzahl von Themen auseinander, präsentiert verschiedene Perspektiven und konnte mich überzeugen, obwohl ich eigentlich eher selten Bücher des Genres lese. Sehr empfehlenswert.
Englischer Originaltitel: Americanah, übersetzt von Anette Grube
Fischer E-Books, April 2014
ISBN:9783104020495