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Das (langsame) Erwachen

Swantje Niemann • 26. August 2018

Kurzgeschichte/ Bühnentext (Urban Fantasy)

Ich möchte denjenigen, die es am 24.08. nicht zur "Nacht der Drachefliege" bei Periplaneta geschafft haben, nicht die Geschichte vorenthalten, die ich dort vorgelesen habe.
Viel Spaß!


Jonas mochte Partys. Kein freier Platz auf einem Sofa entging ihm und so saß er meist schon nach wenigen Minuten glückselig dösend auf den mehr oder weniger abgewetzten Polstern und hatte jemanden überredet, ihm ein Bier zu bringen. Auch jetzt lehnte er sich genüsslich zurück und ließ sich von Musik und Gesprächen berieseln.

Hilfsbereite Hände mischten ihm ein weiteres Getränk – Jonas hatte nur eine vage Vorstellung, was darin war, aber da er sich nicht vom Sofa hatte hochbequemen müssen, um es zu bekommen, befand er es für gut.

Er unterhielt sich entspannt, als sich sein Magen jäh verkrampfte. Obwohl es im Raum so warm war, dass die meisten Jugendlichen im T-Shirt (in einem Fall auch ohne) dasaßen, wurde ihm eiskalt. Eine Gänsehaut überzog seinen Körper und er spürte, wie klammer Schweiß sein T-Shirt durchtränkte. Plötzlich schien alles um ihn herum viel zu schnell zu passieren.

Seine Gesprächspartnerin zuckte zusammen, als er vom Sofa aufsprang, überzeugt, sich übergeben zu müssen. „Muss kurz ins Bad“, keuchte er.

Er hastete in Richtung Badezimmer und fand es segensreicherweise leer vor. Beide Hände auf die Klobrille gestützt würgte er über der Toilette, doch obwohl sein Magen sich zu verknoten schien, konnte er sich nicht erbrechen. Stattdessen begann er, am ganzen Körper zu zittern. Seine Kleidung scheuerte und juckte auf seiner Haut.

Was passierte? War er gegen irgendeine Zutat dieses letzten Drinks allergisch? Oder war der gar nicht für ihn bestimmt und mit jemand anderes Drogen versetzt gewesen?

„Verdammt, ich hoffe nicht“, murmelte er. Sprechen fühlte sich an, als würde Schmirgelpapier über die Innenseite seines Halses schaben.

Was war hier los?

Dann kam der Schmerz. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen und um ein Haar wäre er vornübergekippt. Als er die Augen wieder öffnete, war die Welt verschwommen, die Farben anders. Und er sah die Wände des Raumes, obwohl er doch geradewegs auf den Spülkasten gucken sollte. Waren … waren seine Augen an die Seite seines Kopfes gewandert?

„Whuuuuh!“, machte er fasziniert, obwohl seine Gliedmaßen noch immer schmerzten, als zögen und bögen unsichtbare Hände an seinen Knochen herum. Seine Wahrnehmungen ergaben keinen Sinn mehr.

Jemand klopfte mit verzweifeltem Nachdruck. „He, kannst du dich ein bisschen beeilen? Eine Menge Bier sehnt sich nach der Kloschüssel.“

Jonas drehte den Kopf in Richtung Tür. „Jaja, gleich“, brachte er heraus.

Nun klang die Stimme besorgt. „Alles klar, Mann?“

„Alles klar“, entgegnete Jonas instinktiv.

Dann wurde ihm bewusst, dass er den Kopf zu Tür gedreht hatte, ohne seine Schultern zu bewegen.

„Whuuuh“, wiederholte er.

Er schwankte zur Tür, schloss auf und schaffte es noch, einen verwirrt dreinblickenden jungen Mann mit zerzaustem, blondem Lockenhaar an sich vorbeizulassen, bevor ihm den Boden entgegenkam. Die Hände, mit denen er sich abfangen wollte, waren haariger, als er sie in Erinnerung hatte, die Nägel an den Zeige-, Mittel- und Ringfingern länger.

Für einen Moment umhüllte ihn wieder Dunkelheit, dann lag er mit der Wange auf den Dielen. Es war ein schöner, glatter Holzboden, wenn auch hier und da mit Chipsresten zugekrümelt. Es sprach nichts dagegen, noch ein bisschen länger hierzubleiben.

„Whuuuh“, machte er noch einmal. Der Schmerz hatte nachgelassen. Er fühlte sich seltsam, aber auch irgendwie gut.

Am nächsten Morgen:

Jonas griff nach einem Ast, der nicht da war. Eine Bettdecke lag warm und weich auf ihm und machte es ihm schwer, sich zu bewegen.

„Du bist wach!“

Die Erleichterung in der Stimme seiner Mutter war unüberhörbar. Stimme seiner Mutter … Moment mal. Er war auf einer Party gewesen und hatte sich ziemlich angenehm mit Maja unterhalten. Dann hatte er dieses letzte Glas getrunken, von dem er lieber die Finger hätte lassen sollen. Und dann …

„Wie bin ich nach Hause gekommen?“, stöhnte er.

„Deine Freunde haben dich abgeliefert. Einer von ihnen hatte ein Auto. Sie meinten, sie wüssten nicht, was du genommen hast. Ich glaube, ein paar von ihnen haben gesehen, was mit dir passierte, aber sicher werden sie ihren Erinnerungen nicht trauen.“

„Passierte?“

„Keine Sorge, der Großteil der Verwandlung hat hier stattgefunden. Ich war die ganze Zeit über bei dir.“

Sie strich ihm übers Haar.

„Bei mir … bei was? Verwandlung? Warum tut mein ganzer Körper weh?“

„Ich weiß nicht, wie ich dir das jetzt sagen kann, ohne dass es völlig bescheuert klingt … Ich hatte schon immer einen Verdacht. Die Gabe überspringt manchmal eine Generation, aber deine Persönlichkeit – dein Talent, andere Leute Dinge für dich erledigen zu lassen, deine entspannte Einstellung zu … naja, allem – hat mich immer sicherer werden lassen, dass du einer von uns bist. Natürlich musste sich die Wahrheit vor einem Haufen Zeugen zeigen.“

Das brachte Jonas schließlich dazu, seine Augen einen Spaltbreit zu öffnen und viel zu grelles Tageslicht einzulassen. Über ihm zeichnete sich das Gesicht seiner Mutter als verschwommener, von wirrem, dunklem Haar umrahmter Umriss ab.

„Was? Wovon redest du?“

„Lach nicht, Jonas, aber du bist ein Werfaultier.“

Jonas lächelte genervt. „Muss ich mir den morgen lang blöde Witze anhören, zur Strafe, weil ich nicht verantwortungsvoll getrunken habe?“

Seine Mutter stand auf und entfernte sich ein paar Schritte vom Bett, bis sie mit dem Rücken zu ihm stand. Ohne den Winkel ihrer Schultern zu ändern, drehte sie den Kopf auf einem plötzlich etwas zu langen Hals zu ihm um. „Es ist ein blöder Witz – aber das heißt nicht, dass es nicht sehr real ist. Mein Sohn, ich bin stolz auf dich. Ich wusste ja, dass es in dir steckt.“

Jonas ließ sich auf sein Kissen zurücksinken. Das musste ein Traum sein! „Aufwachen. Bitte. Jetzt.“

„Ich mache Frühstück“, beschloss seine Mutter. „Und dann erzähle ich dir, was es bedeutet, ein Werfaultier zu sein.“

„Alfo … waf ift ein Werfaultier?“, fragte Jonas etwas später.

„Keine gute Tischgesellschaft“, entgegnete seine Mutter trocken.

Jonas schlickte hastig und setzte eine vorwurfsvolle Miene auf. „Muuuum. Mir wurde gerade enthüllt, dass ich in nicht ganz menschliches Wesen bin. Und dass es Werfaultiere gibt. Werfaultiere? Ich meine, Werwölfe kennt man ja, aber WERFAULTIERE? Werde ich jetzt jeden Vollmond zum Faultier?“

„Ja.“

„Was? Wirklich?“

„Ja. Der Vollmond zwingt dich zur Verwandlung, aber an allen anderen Tagen kannst du es kontrollieren. Naja, noch nicht. Du kannst lernen, es an anderen Tagen zu kontrollieren. Erfahrungsgemäß wird das eine Weile dauern. Wir sind meist nicht sehr diszipliniert und der Druck ist nicht so groß.“

„Das heißt also, ich greife nachts nicht willkürlich Leute an?“

„Nein, du plünderst die Topfpflanze, hängst dich irgendwo an, und schläfst weiter. Hast du etwa gedacht, ich würde die Klimmzugstange in meinem Zimmer zum Sport nutzen?“

Jonas blickte an seiner Mutter herab, wie sie in Spitzenhemd und Schlafanzughose vor ihm saß. Sie war schlank, aber es war die Schlankheit einer Person, die sehr hungrig werden musste, bevor sie vom Schreibtischstuhl oder Sessel aufstand, um sich Essen zu machen. Nur, wenn es im Jonas Bedürfnisse ging, wuselte sie geschäftig durch die Wohnung.

„Jetzt wo du es sagst … Kriege ich auch eine Stange?“

„Und eine Topfpflanze. Aber du gießt sie.“

„Das wird nicht gut gehen.“

„Wir sollten mal nachschauen, ob wir einen Pflanzenhändler mit Lieferservice finden.“

Leise lachend schüttelte Jonas den Kopf. „Wir sind wirklich Werfaultiere, oder?“

„Hm. Kommst du an das Toast ran?“

„Ja.“

„Und an die Marmelade?“

„Ja.“

„Schmierst du mir eins?“

„Dein Ernst?“



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Das Resultat ist originell und sehr zufriedenstellend. Mit The Book that Wouldn’t Burn beginnt Mark Lawrence eine neue Trilogie, die gut genug geschrieben ist, um mich darüber hinwegsehen zu lassen, dass einige Elemente des Plots (z.B. Zeitreisen) eigentlich gar nicht mein Ding sind. Das Setting ist eine gigantische Bibliothek, die Fokus eines uralten Streits um das zweischneidige Schwert des Wissens ist. Was mich überrascht hat: die überraschend süße Liebesgeschichte, die eine große Rolle für den Roman und seinen Folgeband spielt. Urban Fantasy Naomi Noviks Scholomance -Trilogie ist eine kurze YA-Reihe, die auch erwachsene Leser*innen überzeugen kann. Sie wartet mit einer originellen Variante einer Zauberschule und einer Protagonistin auf, die äußerst schlecht gelaunt das Richtige tut und deren Erzählstil die düsteren Aspekte des Settings auf Distanz hält. Das besondere an der Reihe ist, dass sie ihre Figuren nicht wirklich gegen Antagonist*innen, sondern gegen ein systemisches Problem arbeiten – und dass es, was bei solchen Ausgangssituationen nicht sehr häufig ist, trotzdem eine optimistische Geschichte ist. In Ink Blood Sister Scribe von Emma Törsz geht es um zwei Halbschwestern, deren Leben auf sehr verschiedene von der Sammlung magischer Bücher bestimmt wird, die ihre Familie hütet. Das Buch beginnt, als sie sich nicht länger vor ihren Gegenspieler*innen verbergen können. Das Figurenensemble ist klein und statt einer ausgreifenden verborgenen Welt gibt es hier nur einige wenige übernatürliche Elemente. Figuren und Magie sind aber sorgfältig ausgearbeitet und greifen gut ineinander. Ink Blood Sister Scribe nimmt sich viel Zeit für atmosphärische, präzise Beschreibungen. Es ist auch mal wieder original deutschsprachige Fantasy dabei: Noah Stoffers reiht sich mit A Midsummer’s Nightmare in die Reihe der Autor*innen ein, die den Dark-Academia-Trend aufgreifen. Protagonist*in Ari muss die übernatürlichen Geheimnisse einer elitären, altehrwürdigen Universität erkunden, bevor diese Ari und Aris Freund*innen gefährlich werden. Stoffers setzt aus anderen Büchern des Subgenres wie zum Beispiel „Das neunte Haus“ bekannte Elemente gekonnt um (z.B. auch das Topos marginalisierter Figuren, die Außenseiter*innen in einer Hochburg alter Privilegien sind). Sier ergänzt eine großzügige Prise originelles Worldbuilding und stellt eine nicht-binäre Figur ins Zentrum, was insbesondere in der deutschsprachigen Phantastik bisher ziemlich selten ist. Das fügt sich alles zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Science Fiction Mit Arboreality hat Rebecca Campbell einen berührenden Roman aus ineinandergreifenden Geschichten geschrieben, in denen Menschen und Bäume die Klimakrise überdauern. Sie schildert eine nahe Zukunft voller Melancholie und Hoffnung. Weitaus bissiger geht es in Venomous Lumpsucker von Ned Beauman zu. Der Near-Future-Roman denkt Trends der Gegenwart weiter und fügt sie zu einem temporeichen Thriller rund um Umweltzerstörung und den Verlust von Artenvielfalt zusammen, mit einer Menge gezielter Seitenhiebe und dunkler Situationskomik. Exordia von Seth Dickinson ist ein abgedrehter First-Contact-Roman, der wild Genres mixt und seine Figuren immer wieder vor moralische Dilemmata stellt – inklusive der Entscheidung über das Schicksal der Erde. Humor, Schrecken und emotional berührende Momente liegen hier dicht beieinander. Das Buch greift auch die Geschichte der Kurden und amerikanischer Interventionen im Nahen Osten auf. 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Es geht um Krebsmagie, um Imperialismus, Kolonialismus und Widerstand, und um eine faszinierende, zerrissene Hauptfigur, die viel(e) opfert, um ein Imperium zu Fall zu bringen. Der Weltenbau ist originell und komplex, die Auseinandersetzung mit Imperialismus und Kolonialismus tiefer, als ich es von dem Genre gewohnt bin. Ähnlich explizit anti-imperial geht es in „Babel“ von R.F. Kuang zu (tatsächlich hätte die Autorin dem Publikum hier und da ein bisschen mehr darin vertrauen können, dass es angesichts der geschilderten Ereignisse schon zu den gleichen Schlüssen kommt wie sie). In einem alternativen magischen Oxford des 19. Jahrhunderts findet der junge Übersetzer Robin intellektuelle Herausforderungen, Luxus und Freundschaft – vorausgesetzt, er spielt weiter brav seine Rolle als Handlanger eines Imperiums, das auf ihn angewiesen ist, aber ihm echte Zugehörigkeit verweigert. Schließlich erreicht Robin einen Punkt, an dem er eine Entscheidung treffen muss. Ein wütendes, mitreißendes Buch voller Wissen zu Geschichte und Linguistik (bei dem ich bei allen seinen Stärken allerdings kritisieren würde, dass bestimmte Figuren sich eher wie Werkzeuge, um bestimmte Punkte zu illustrieren, als wie dreidimensionale Persönlichkeiten anfühlen – Robins Charakterisierung ist jedoch gut gelungen). Außerdem konnte ich eines meiner großen Leseprojekte beenden: Ich habe nun alle zehn Bände des „Malazan Book of the Fallen“ gelesen. Es handelt sich um eine Buchreihe, die eine unglaubliche Bandbreite an Figuren, Schauplätzen, Plots, Registern und Themen abdeckt. Wie in einer so vielfältigen Reihe manchmal nicht anders zu erwarten, konnte ich mit einigen Abschnitten mehr anfangen als mit anderen. Aber die emotionalen Momente sind kraftvoll, die heraufbeschworenen Bilder episch und die Themen der Bücher sehr relevant. Malazan lesen fühlt sich manchmal ein bisschen wie Arbeit an, aber wie Arbeit, die es absolut wert ist. Manchmal scheuen Autor*innen davor zurück, Figuren mit marginalisierten Identitäten moralisch graue oder auch nur unsympathische Züge zu geben. In „Sanguen Daemonis“ ist das nicht der Fall. Anna Zabinis sehr diverses Figurenensemble steckt voller innerer und äußerer Konflikte, und hinzu kommt ein Setting voller Paranoia und Düsternis. Der dystopische Urban-Fantasy-Roman ist antichronologisch erzählt und ist insgesamt angenehm ehrgeizig. „Das Rot der Nacht“ von Kathrin Ils ist ein solider, in sich geschlossener Roman mit einem atmosphärischen, mittelalterlich inspirierten Setting. In der klaustrophobischen Atmosphäre eines von Misstrauen erfüllten Dorfes muss die Protagonistin, Belanca, mit einer sehr gefährlichen Situation umgehen. Im Zuge dessen stellt sie fest, dass mehr in ihr steckt, als erwartet. Science-Fiction Ich bin durch einen Artikel namens „The Edgy Writing of Blindsight“ auf Peter Watts Roman gestoßen und auch wenn ich nachvollziehen kann, wieso die Verfasserin nichts mit dem Buch anfangen konnte, war meine Neugier durch die Zitate geweckt – und ich bin froh darüber, das Buch gelesen zu haben. „Blindsight“ ist ehrgeizig, vollgestopft mit Ideen und eine ebenso düstere wie hypnotische Kombination aus Science Fiction und Cosmic Horror. Das Buch wartet mit einem kühnen Gedankenexperiment zu Intelligenz und Bewusstsein und mit einer starken zentralen These auf, der man nicht zustimmen muss, um etwas von dem Buch zu haben. Ich verstehe das Worldbuilding von „Ninefox Gambit“ zugegebenermaßen immer noch nicht komplett, aber diese Welt mit einem Imperium, dass einen speziellen Kalender befolgt und verteidigt und Macht aus diesem zieht, ist ebenso überwältigend, wie sie spannend ist. Darüber hinaus ist das Buch spannend, gut geschrieben und wartet mit einer außergewöhnlichen Figurenkonstellation (die Hauptfigur trägt den Geist eines vermeintlich wahnsinnigen Generals mit sich) und einigen überraschenden Wendungen auf. „The Light Brigade“ ist gritty, gesellschaftskritisch und hat mir gefallen, obwohl ich überhaupt kein Fan von Zeitreisegeschichten bin. In einer dystopischen Zukunft kämpfen hier Soldat*innen, die sich in Licht auflösen, um sich dann wieder an ihren Einsatzorten zu manifestieren, gegen einen mysteriösen Feind. Aber schnell bekommt die Protagonistin das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Kameron Hurley hat ein spannendes, wütendes Buch voller einprägsamer Zitate geschrieben. „Dem Blitz zu nah“ ist vielleicht eher interessant, als dass das Buch Spaß macht – aber dafür ist es wirklich sehr interessant. Ada Palmer entwirft eine Zukunft, in der nicht nur Technologien, sondern auch zum Beispiel der Umgang mit Geschlecht, mit „nationaler“ Zugehörigkeit und vielem mehr radikal geändert haben. Ein Protagonist mit einer sehr dunklen Vergangenheit erzählt unter zahlreichen Bezügen auf die Zeit der Aufklärung von der Verschwörung, die sich unter dem scheinbar utopischen Frieden der „Hives“ verbirgt. Wirklich utopisch geht es in „Pantopia“ zu – allerdings ist der Weg zu der Welt, in der die Menschenrechte das oberste Gebot und ethische Entscheidungen deutlich leichter sind als in der Gegenwart, holprig und voller Ungewissheiten. Und genau über diesen erzählt Theresa Hannig gekonnt. Sie erzählt von überzeugend gezeichneten Figuren, von moralischen Kompromissen und zweiten Chancen, und nicht zuletzt radikal hoffnungsvoll. „How High We Go in the Dark” habe ich quasi zusammen mit einem Buchclub gelesen – allerdings sind einige der Lesenden zwischendrin ausgestiegen und auch ich hatte Schwierigkeiten, das Buch zu beenden. Das liegt aber keineswegs daran, dass Sequoia Nagemutsus ineinander verflochtene Geschichten schlecht wären, sondern vielmehr daran, wie bedrückend nah sich der Roman anfühlt. Es geht um eine Pandemie, Klimawandel und das oft vergebliche Bemühen, geliebte Menschen zu beschützen. In diesem Roman bricht der oft verdrängte Tod mit solcher Macht wieder in unsere Gesellschaft ein, dass den Figuren nichts anderes als eine kollektive Auseinandersetzung damit – und damit, was sie verbindet – übrigbleibt. Sachbuch „Faultiere - Ein Portrait“ von Tobias Keiling, Heidi Liedke und Judith Schalansky (Hg). konnte mich mit seinem originellen Konzept und einer Menge neuem Wissen beeindrucken. Das Buch stellt quasi eine kurze Rezeptionsgeschichte des Faultiers dar, eine Geschichte der Projektionen auf dieses ungewöhnliche Tier, die wiederum viel über die Betrachtenden verraten. In „Entstellt“ von Amanda Leduc verbindet die Autorin autobiografisches Schreiben mit einer Analyse der Darstellung von Menschen mit Behinderungen oder Entstellungen in Märchen und moderner Popkultur.
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