Über das Überarbeiten, das von vorne Anfangen, und Arbeit, die nur auf den ersten Blick verschwendet ist.
Wenn ich schreibe, geschieht das schubweise. Nur meine ersten, unveröffentlichten Romane und „Drúdir – Dampf und Magie“ sind langsam und stetig entstanden – ich habe mich von einer ersten Szene, die mich irgendwie ansprach, blind weitergetastet, bis ein ganzes Buch da war. Bei „Dampf und Magie“ hatte ich etwas, das an einen groben Plan erinnerte, aber auch hier war eine Menge Discovery Writing involviert.
Bei „Drúdir – Masken und Spiegel“ sah es hingegen ganz anders aus. Die Reaktionen auf den ersten Teil waren spärlich, aber weitestgehend sehr positiv gewesen, woraus sich ein gewisser Erwartungsdruck ergab, ein mindestens genausogutes Buch zu liefern. Ich entwickelte zahlreiche Ideen, wie es mit den Figuren weitergehen konnte. Die Gegnerin, mit der Drúdir es in Rhuvien zu tun bekommen würde, stand schon lange fest, aber das war auch das Einzige, was ich über die Geschichte wusste. Also schrieb ich drauf los. Binnen anderthalb Monaten entstanden fünf Erzählstränge mit fünf verschiedenen Konflikten und nachdem ich etwa 60.000 Wörter (für alle Nicht-Autor*innen: Das entspricht etwa der Hälfte von „Dampf und Magie“) geschrieben hatte, wurde mir klar, dass ich sie nicht befriedigend würde zusammenführen können.
Also: Weg mit dem Findra-Erzählstrang, der sich erst im darauffolgenden Buch wieder mit Drúdirs vereint hätte. Weg mit den Strängen um Phandrael und Kyrai (keine Ahnung, was ich mit denen vorhatte). Weg mit einem Erzählstrang rund um Svalris, in dem es ein paar sehr interessante Dialoge gab und der vermutlich irgendwann auf Phandraels und Kyrais getroffen wäre (ich glaube, der große Plot des Romans war, dass Findra und Svalris ein Heilmittel für eine magisch geschaffene Epidemie finden müssen, welcher primär Elfen zum Opfer fallen, was sie wieder dazu zwingt, mit Phandrael und Kyrai zusammenzuarbeiten – ich habe mir kaum Notizen gemacht, und wenn ich mir jetzt das halbe Manuskript anschaue, kann ich nur raten, wo sich am Ende alles hinbewegen sollte).
Meine Lösung bestand darin, den Drúdir-Erzählstrang herauszulösen und auszubauen. Einige Kapitel oder Szenen konnte ich in den zweiten Entwurf von „Masken und Spiegel“ übernehmen. Ich ließ Jathrades seine Geschichte erzählen, gab Drúdirs Gegenspielern eine Stimme und schrieb so eine viel fokussiertere und bessere Geschichte, die ein Bündel eng zusammenhängender Konflikte und ihre Auswirkungen auf eine Handvoll Figuren und ihre Beziehungen zueinander auslotet. Ich bin tatsächlich ziemlich zufrieden mit dem Ergebnis.
Man könnte meinen, dass ich daraus gelernt hätte, doch „Drúdir 3“ entstand auf ganz ähnliche Weise. Wer diesen Artikel ausgräbt, nachdem er/sie/* das Buch gelesen hat, wird über den folgenden Satz lachen: Eigentlich sollte „Drúdir 3“ in erster Linie eine Liebesgeschichte werden
und Drúdirs Charakterentwicklung damit abschließen, dass er, der nach zu vielen erlittenen Verlusten vorsichtig geworden ist, wieder eine romantische Beziehung eingeht. Mir wurde jedoch klar, dass das nicht passieren würde, denn das gehetzte Queste-Narrativ, vor dessen Hintergrund die emotionale Entwicklung der Figuren stattfinden sollte, ließ dieser nicht annähernd genug Zeit.
Ebenso wenig konnte ich bestimmte Aspekte des Weltenbaus und der zwergischen Gesellschaft ausreichend beleuchten, um sie glaubwürdig und differenziert erschienen zu lassen. Und auch ein wichtiger Antagonist Drúdirs wurde hier aus der Sicht einer Figur eingeführt, die zwar die Handlung vorantrieb, aber wenig geeignet war, um emotionale Reaktionen bei Leser*innen zu wecken. Ich beschloss, dass dieser Zwerg zu einer PoV-Figur werden musste, und dass ich mich nicht zwingen sollte, eine gehetzte Queste zu schreiben, wenn mir eine andere Geschichte mehr Raum gab, um den schweren Themen, die „Drúdir 3 – Version 1“ streifte, wirklich gerecht zu werden.
Hinzu kam noch ein weiterer, persönlicherer Grund: In „Drúdir 3 – Version 1“ hat das zwergische Äquivalent von Nazis die Macht über einen Teil der Union übernommen, und das war ein Szenario, über das zu schreiben ich vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen absolut keine Lust hatte.
Ich musste erst 75.000 Wörter zu Papier bringen (entspricht ¾ von „Drúdir 2“), um mir dessen bewusst zu werden, dass ich eigentlich eine andere, bessere Geschichte schreiben wollte. Eine, in der z.B. ich auf die Hintergrundgeschichte und Situation der Trolle eingehen konnte, die in „Drúdir 3“ eine Rolle spielen (es ist eine fiktionale Kultur, aber ich habe mich trotzdem daran gestört, dass sie nur durch eine einzige Figur repräsentiert wurde und dadurch sehr flach erschien). Außerdem konnte ich eine wichtige Figur so viel besser einführen. Aber ich bin aus diesem nahezu komplett verworfenen ersten Versuch mit einer sehr viel klareren Idee dessen hervorgegangen, was ich haben wollte. Und: Ich konnte ein paar Elemente aus dem verworfenen Entwurf von „Masken und Spiegel“ wiederverwenden, die hier besser passten. (Das mit der Liebesgeschichte hat aber auch in der zweiten Version nicht so richtig geklappt).
Meine Versuch-und-Irrtum-Methode ist zeitaufwändig, aber ich glaube, mit den Resultaten kann ich ganz gut leben.
Teil 3 ist übrigens größtenteils fertig und hat ein Sensitivity-Reading durchlaufen (vielleicht schreibe ich in einem anderen Post mehr dazu). Jetzt muss ich mich noch um den Feinschliff kümmern, bevor das Manuskript ins Lektorat gehen kann. Voraussichtlich wird das Buch im Frühling 2020 erscheinen.